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Was braucht die Kunst? – Gestaltung einer zeitgemäßen Künstlerförderung

 

Panel 1

 

Wie ist es um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kunstschaffenden in NRW bestellt? Reichen die Bildungs- und Fortbildungsangebote aus? Wie finde ich passende Stipendien, bezahlbare Ateliers oder relevante Ausstellungsmöglichkeiten? Und: Was braucht die Kunst? Das sind einige der Fragen, die das LaB K künftig stellen und beantworten möchte.

 

Gäste:

Sebastian Freytag (Bildende Künstlerin)

Prof. Mischa Kuball (Professor für Medienkunst an der KHM Köln)

Dr. Stefanie Lucci (Geschäftsführerin Dr. Lucci Art Affairs)

Vero Pfeiffer (Bildende Künstlerin)

Friederike van Duiven (Bildende Künstlerin, Vorstand BBK NRW)

 

Moderation: Dr. Emmanuel Mir


1. März 2018

Kreation und Kreativität – eine kulturpolitische Verwechslung

 

Wenn Fußballspieler oder Steuerberater kreativ sind, hat sich der Begri der „Kreativität“ so weit aufgelöst, dass er nicht mehr mit einer kulturellen Schöpfung im Einklang gebracht werden kann. Andererseits wird das Kreative als unbedingt förderungsfähig erklärt, wie die anhaltende politische Fokussierung auf die Kreativwirtschaft beweist. Hat die Bildende Kunst im Zeitalter des kreativen Imperativs noch etwas zu melden? Wie korrespondiert die im Ruhrgebiet pilotierte Individuelle Künstlerförderung mit den spezifischen Bedürfnissen und der besonderen Arbeitsweise von Künstler*innen?

 

16. Februar 2018 im Kunsthaus Essen

 

Gäste:

Bernd Fesel (ecce)

Thomas Lehmen (Choreograph und Tänzer)

Dr. Uwe Schramm (Kunsthaus Essen)

 

Moderation: Dr. Emmanuel Mir


John William Waterhouse, Hylas und die Nymphen, 1896, © Manchester City Galleries

21. Februar 2018

Opferkunst. Reinigt #MeToo den öffentlichen Raum?

 

»Dieses Museum präsentiert den weiblichen Körper als entweder ‚passiv-dekorativ‘ oder ‚femme fatale‘. Lasst uns diese viktorianische Fantasie hinterfragen!« Clare Gannaway

 

 

Was war passiert? Die Manchester Art Gallery hat im Rahmen einer Kunstaktion der Künstlerin Sonia Boyce das Gemälde Hylas und die Nymphen des präraffaelitischen Malers John William Waterhouse entfernen lassen und forderte die Besucher anschließend dazu auf, zu diskutieren, »wie wir Kunstwerke in Manchesters öffentlicher Sammlung zeigen und interpretieren«. Clare Gannaway, die Kuratorin für zeitgenössische Kunst des Museums, unterstrich, dass es bei der Aktion nicht um Zensur, sondern um eine Debatte im Rahmen von #MeToo und weiblicher Repräsentation ging, die Debatte fand statt, das Gemälde hängt inzwischen wieder.

 

Bereits Stunden nach dem künstlerischen take-over konnte man auf der Website des Museums, unter dem Hashtag #MAGSoniaBoyce und an Post-Its auf der Museumswand die Diskussion verfolgen, wobei die Taz fragte: »Ist es wirklich Zensur, wenn nicht der Staat die Kunstfreiheit einschränkt, sondern eine Galerie sich für eine Kunstperformance dazu entscheidet, ein einzelnes Gemälde abzuhängen?« Da ich auch auf rhetorische Fragen immer gerne reagiere, lautet meine Antwort: Eine Kunstfreiheit kann nicht durch eine andere ersetzt werden. Was genau passiert ist, wird sich zwar erst zeigen, wenn Boyce das Video der Aktion veröffentlichen wird, dennoch: Kunstfreiheit heißt eben auch, dass »Selbst ein versauter alter viktorianischer Perverser das Recht hat, Softporn-Nymphen zu malen.«

 

Quelle: Twitter @Artlyst

 

Was mich aber dann doch beschäftigte ist die Frage, was genau die Aktion kritisierte: Die Darstellung von Nacktheit, den Umgang der Präraffaeliten mit ihren Modellen, die Rolle der Frau? Wenn es um Letzteres ging: Die Präraffaeliten haben exakt das getan, was ihnen heute vorgeworfen wird: viktorianische Fantasien hinterfragt.

 

Im Viktorianischen Zeitalter war das Frauenbild von Schwäche geprägt. Ehebruch, uneheliche Kinder und Prostitution waren Gefahren, denen die traditionsbewusste ehrbare Frau ausgesetzt war. War sie solchermaßen »gefallen«, hatte sie mit wenig Mitgefühl zu rechnen. In einer Gesellschaft, in der die Aufgabe der Frau die Domestizierung des Mannes war und ihre Sexualität gesellschaftlich und theoretisch nicht nur unterdrückt, sondern negiert wurde, sind Frauen als sexuelle Wesen hochprovokativ und ihre Darstellung durchaus ein Akt von Women’s empowerment. Namentlich John Ruskin, selbst Maler und ein wichtiger Freund und Förderer der Präraffaeliten, hat in zwei Vorträgen sowohl das stereotype Männlichkeitsideal der puren Nützlichkeit als auch die Mädchenerziehung als Ausrichtung der Frau auf den Mann und die Unterwerfung in der Ehe aufs schärfste kritisiert. (1) Seine Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit gelten heute als wichtiger Schritt für die Frauenbewegung. (2)

 

Ein Museum, das in seinem Haus unter diesen Vorzeichen ein Gemälde abhängt, handelt historisch inkorrekt, was für eine Forschungsinstitution kein »großer Erfolg«, sondern zumindest ein wenig peinlich sein sollte.

 

Die Frage bleibt: Was wird kritisiert? Das Eingangszitat der Kuratorin legt nahe, dass die Frauen auf dem Gemälde von Waterhouse als Opfer wahrgenommen werden. Als Opfer männlicher Fantasien. Der italienische Philosoph Daniele Giglioli schreibt in seinem hervorragenden Buch Die Opferfalle (3), dass Opfer die säkularisierten Märtyrer unserer Zeit sind, vor allem, weil ein Opferstatus diese Gruppen vor jeglicher Kritik immunisiert. Einem Opfer muss man glauben, wir müssen ihm gedenken und es wird ausschließlich an seine Verletzung geknüpft.

 

Giglioli kritisiert dieses Stereotyp, weil das leidende Opfer seiner Handlungsfähigkeit beraubt ist: Stellvertretergruppen bilden sich, die im Namen des Opfers sprechen und Rechte einfordern, deren Legitimität kaum hinterfragbar ist: Ein berühmtes Beispiel der letzten Zeit ist das sog. Affen-Selfie und seine Folgen. Einem Affen werden Rechte am eigenen Bild eingeräumt, der Affe war aber nie Kläger: Die Tierschutzorganisation Peta maß sich ein Mandat an, dass den Fotografen des Affen-Selfies in den Bankrott zwang.

 

Auch andere Ausstellungen wurden wegen Missbrauchs- und Belästigungsvorwürfen gegen die Künstler gestoppt, darunter eine Chuck Close-Ausstellung in der National Gallery of Art in Washington und eine Schau von Bruce Weber in den Hamburger Deichtorhallen. Museen »sind (aber) weder Konsensmaschinen, noch moralische Kläranlagen«, sagt Philipp Demandt, der Direktor des Frankfurter Städel Museums. Seine Kollegin aus Stuttgart, Ulrike Groos, ergänzt: »Für mich ist keine Diskussion möglich, wenn das entsprechende Objekt nicht zu sehen ist. Wir als Museen sind gehalten, Tatsachen offenzulegen und nicht Vermutungen zu folgen.« Und letztendlich ist die Frau als Opfer ein weiteres Stereotyp, welches ebenso kritisiert werden kann wie ihre Darstellung als Dekoration oder Verführerin.

 

Quelle: Twitter @SusisSenf

 

Wenn man Museen, Häuserfassaden oder andere öffentliche Räume dahingehend reinigt, muss man von Reviktimisierung sprechen, einem in der Dokumentarfotografie geläufigen Diskurs, wie mit ‚Opferbildern‘ umgegangen wird. Der psychologische Begriff verweist auf eine traumatische Opfererfahrung, die durch ein späteres Ereignis wieder aktiviert werden kann. Alte, unaufgearbeitete Verhaltensweisen und traumatische Erlebnisse werden aktiviert und man ist gezwungen, seinen Opferstatus zu wiederholen. Dieser Begriff ist in der Fototheorie vor allem hinsichtlich historischem Fotomaterials problematisiert worden. Abigail Solomon-Godeau fragt

 

»(…) ob der dokumentarische Akt nicht einen doppelten Akt der Unterjochung impliziert: erstens in der sozialen Welt, die die Opfer hervorgebracht hat; und zweitens im Regime des Bildes, das innerhalb desselben Systems und für dasselbe System produziert wird, welches die Bedingungen, die es repräsentiert, schafft.« (4)

 

Oder geschaffen hat. Um ein Beispiel zu nennen: Die Roten Khmer haben aus logistischen Gründen ihre Opfer im Gefängnis S-21 vor der Hinrichtung fotografiert. Darf man diese Fotos heute ausstellen? Und wenn ja, wie? Werden so nicht ebenfalls die Täter als ‚Künstler’ reproduziert? Und sieht man noch die Wände der theoretischen Zelle, in die man sich selbst einschließt? Ich kann und will an dieser Stelle die Frage nicht beantworten, sondern auf die gemeinsamen Diskurse in Kunst und Fotografie verweisen, die nur einen Unterschied haben: Den Index. Bei einer weniger der Realität versprochenen Kunstform ist der Schrei nach Sichtbarkeit lauter, ebenso wie die Sicherheit, dass es sich um gestaltete Kunst, nicht um dokumentierte Wirklichkeit handelt.

 

Im Gedicht zieht man sich in der Sprache hinter die Sprache zurück. Wenn auf einer Hausfassade die Worte eines lyrischen Bewunderers Studentinnen reviktimisieren, wie vom Asta der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin behauptet, muss man dann das Gedicht entfernen oder die Opferrolle thematisieren, die die Übermalung fordert? Vielleicht ist es wirklich fast so, wie der französische Kulturanthropologe René Girard schrieb:

 

»Heute kann man nur verfolgen, in dem man sich zum Gegner der Verfolgung erklärt. Man kann nur die Verfolger verfolgen. Man muss beweisen, dass man einen Verfolger zum Gegner hat, will man das eigene Verfolgungsbedürfnis befriedigen.« (5)

 

(1) Ruskin, John, Sesame and Lilies (1865). Hrsg. von D. Epstein. New Haven/London 2002.

(2) Kersting, Christa, Das Geschlechterverhältnis in den Konstrukten der internationalen Frauenbewegung um 1900 und seine Bedeutung für die Bildung, in: Mietzner, Ulrike; Tenorth, Heinz-Elmar; Welter, Nicole (Hg.): Pädagogische Anthropologie – Mechanismus einer Praxis. Weinheim u. a. 2007, S. 124–140.

(3) Giglioli, Daniele, Die Opferfalle. Wie die Vergangenheit die Zukunft fesselt, Berlin 2016.

(4) Solomon-Godeau, Abigail, Wer spricht so? Einige Fragen zur Dokumentarfotografie, in: Herta Wolf (Hg.), Diskurse der Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Frankfurt a. Main 2003, S. 53–74.

(5) zitiert nach: Giglioli, Daniele, Die Opferfalle. Wie die Vergangenheit die Zukunft fesselt, Berlin 2016, S. 40.

 

Dr. des. Anja Schürmann
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12. Februar 2018

Selbstorganisation – Weg aus der politischen Ohnmacht?

 

Panel 1

 

»Zusammen sind wir stark«. So abgedroschen der Spruch, so wahr bleibt er – und heutzutage kursiert er unter der Rubrik »Empowerment«. Um sich zu behaupten, organisieren sich Künstler* innen nicht selten in Kollektiven, Produzentenräume oder O-Spaces. Die Ziele dieser selbstorganisierten Gruppen gehen von der bloßen Sichtbarmachung ihrer Akteure bis hin zur Bildung einer (kultur-)politischen Lobby. Die Gäste aus den Bereichen Design, Kunst, Journalismus und Grafikdesign sprechen über »ihre« Form der Selbstorganisation und erläutern, wie sie damit ihre berufliche Autonomie gewährleisten können.

 

Gäste :

Stefanie Klingemann (Bildende Künstlerin, Art Initiatives Cologne)

Michael Kortländer (Bildender Künstler, Verein der Düsseldorfer Künstler)

Oliver Keymis (Kultur- und Medienausschuss des Landtags NRW)

 

Moderation: Dr. Emmanuel Mir


12. Februar 2018

Selbstorganisation – Weg aus der politischen Ohnmacht?

 

Panel 2

 

»Zusammen sind wir stark«. So abgedroschen der Spruch, so wahr bleibt er – und heutzutage kursiert er unter der Rubrik »Empowerment«. Um sich zu behaupten, organisieren sich Künstler* innen nicht selten in Kollektiven, Produzentenräume oder O-Spaces. Die Ziele dieser selbstorganisierten Gruppen gehen von der bloßen Sichtbarmachung ihrer Akteure bis hin zur Bildung einer (kultur-)politischen Lobby. Die Gäste aus den Bereichen Design, Kunst, Journalismus und Grafikdesign sprechen über »ihre« Form der Selbstorganisation und erläutern, wie sie damit ihre berufliche Autonomie gewährleisten können.

 

Gäste :

Leonie Pfennig (And She Was like:BÄM!)

Prasanna Oommen-Hirschberg (Neue Deutsche Medienmacher)

Christian Hampe (Utopiastadt)

Oliver Keymis (Kultur- und Medienausschuss des Landtags NRW)

 

Moderation: Dr. Emmanuel Mir


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