Dokumentation

KUNST+BAU Symposium Neue Perspektiven auf Nachkriegsmoderne und Gegenwart in NRW

Beitragsbild KUNST + BAU, Selma Gültoprak, Earth Is Blue, 2021

Angeregt durch die Ausstellung „garten der fragmente“ im Kunsthaus NRW und einer vom WDR aufgezeichneten Diskussion zwischen Künstler:innen, Vertreter:innen vom Land NRW und dem Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler NRW und Marcel Schumacher vom Kunsthaus NRW fand am 3. und 4. November 2022 das zweiteilige Symposium „KUNST + BAU. Neue Perspektiven auf Nachkriegsmoderne und Gegenwart in NRW“ in Düsseldorf und Aachen-Kornelimünster statt. Die Diskussion der vorangegangenen medialen wie ausstellerischen Auseinandersetzung sollte über die aktuellen Produktionsbedingungen, der Dokumentation und zeitgemäßen Pflege von Kunst am Bau in NRW ihre Fortführung finden. Die beiden Diskussionsstränge zum Umgang mit Kunst am Bau aus der Nachkriegsmoderne als auch zu den rezenten Praktiken in der gegenwärtigen Kunst und Architektur in NRW fanden erstmals in dem Symposium ihre notwendige Zusammenführung.

Ausschlaggebend für die erneute Beschäftigung mit Kunst am Bau war außerdem die Novelle der Richtlinie zur Kunst am Bau in Nordrhein-Westfalen. Solche wurde am 7. Dezember 2021 neu aufgelegt und besagt, dass Kunst – bezeichnet als „künstlerische Ausgestaltung“ – ab einer gehobenen Summe von 15 Millionen Euro wieder verpflichtend in den Bau mit eingebunden werden muss. Dabei ist ein Prozent der Bausumme für Kunst an, vor oder im Bau einzupreisen. Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, erläuterte bei der Veröffentlichung der Novelle dessen Ziel: „Durch die künstlerische Ausgestaltung soll ein direkter Bezug zwischen Öffentlichkeit, Gebäude und Nutzung hergestellt werden. Sie soll jeweils einen speziellen Orts- und Objektbezug haben und dazu beitragen, Akzeptanz und Identifikation der Nutzerinnen und Nutzer mit ihrem Bauwerk zu stärken, Aufmerksamkeit herzustellen und Standorten ein zusätzliches Profil verleihen.“ Wie zur Nachkriegszeit kommt der Kunst an, um oder in Gebäuden die Funktion zu, Aufbruch, Moderne und Zukunft der Öffentlichkeit und des gemeinschaftlichen, urbanen Lebens zu visionieren.

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Wir konstruieren und konstruieren, weil Intuition immer noch eine gute Sache ist.

Doch was zieht man aus der Richtlinie, die zwar genau definiert, an welchen Bauten und mit welchen Kunstformen gestaltet werden soll, aber die Zusammenarbeit von Künstler:innen und Architekt:innen nicht thematisiert? Wann sollte die künstlerische Gestaltung mit einbezogen werden, damit sie nicht zu einem schmückenden Beiwerk degradiert? Wie hat sich das Auswahlverfahren für bildende Künstler:innen verändert; sollten nicht gleichermaßen Künstler:innen und Architekt:innen in Juries vertreten sein? Die Leerstellen dieser Richtlinie geben Raum für derartige Fragen. In dem zweitätigen Symposium wollten wir vom LaB K und vom Kunsthaus NRW uns weniger mit Spekulationen zur Zukunft als viel mehr mit den aktuellen Praktiken der Kunst und Bau beschäftigen. Denn solche zeigen durchaus Kooperativen zwischen Künstler:innen und Architekt:innen auf oder kristallisieren heraus, dass künstlerische Auseinandersetzung und Interventionen mit Kunst und Bau-Projekten der Moderne den Diskurs bestimmen. Die Auftaktveranstaltung unseres Symposiums nahm solchen Status Quo in den Blick und sollte den beteiligten Referent:innen und dem Publikum ein Forum des Austausches bieten: um ins Thema hineinzuführen lud das LaB K alle Interessierten in die Kunsthalle Düsseldorf ein, in der wir mit dem Direktor Gregor Jansen als Gastgeber einen versierten Kenner der Kunst an und um den Bau der Kunsthalle fanden. Für den Auftakt-Round Table an diesem Abend kamen zusammen: Christian Odzuck und Sebastian Freytag, die beide in der Kunsthaus NRW Ausstellung garten der fragmente ihre Ideen zum Topos Ruine vorstellten; Birgit Jensen, Künstlerin und Mitglied der 2021 von der Stadt Düsseldorf bestellten Kunstkommission, sowie Vera Drebusch und Reto Buser, Künstler:innen-Duo aus NRW/der Schweiz mit ihrem Trümmer-Bank Projekt aus Hamburg. Diese ganz unterschiedlichen Ansätze zur Kunst im öffentlichen Raum und am Bau wurden gemeinsam in Gespräch mit Dr. Susanne Ristow, Programmleitung des LaB K, und Gregor Jansen impulshaft beleuchtet. Dadurch eingestimmt schloss sich eine Begehung der Kunsthallen-Fassade und den sie umrahmenden Kunst-am-Bau-Projekten an, wie etwa das Beuys’sche Ofenrohr oder James Lee Byars‘ Träne, aber auch die Karyatiden, die als historische Marker den Anfängen der Kunsthalle im 19. Jahrhundert gedenken. Beim anschließenden Ausklang im Salon des Amateurs, der in den 1990er durch das Architektenkollektiv rheinflügel (Jo Meyer, Marie-Céline Schäfer und Karsten Weber) im Stil einer modernistischen Lounge der 1970er Jahre entwickelt wurde, liefen in einem Loop-Screening die Projekte obig genannter Künstler:innen durch.

Wenn jemand so oft und gern wie ich im tiefen Süden Europas arbeitet, genauer gesagt in der wohl urbansten Stadt Italiens mit dem klangvollen griechischen Namen der neuen Stadt „Neapolis“, Neapel also, dann erscheint die Frage nach KUNST+BAU in einem gänzlich anderen Licht als hierzulande. Und genau diese andere Belichtung ist ja manchmal notwendig, um zu erkennen, womit man es bei einem vermeintlich vertrauten Gegenstand zu tun hat. Hier bei uns in Deutschland und ganz besonders im wirtschaftlich in der Nachkriegsära so potenten Nordrhein-Westfalen scheint es selbstverständlich, von „Kunst am Bau“, neuerdings auch „Kunst und Bau“ zu sprechen, und keiner würde offen der Kunst ihre Bedeutung für den Begriff des Bauens, des Schaffens, des Konstruierens von Wirklichkeit absprechen. In Italien blickt man mit Neid auf ein so selbstverständliches Verhältnis zur Nachkriegsmoderne in bildender Kunst wie Baukultur.

Die Tagung am 4. November lenkte das Augenmerk neben der künstlerischen Sondierung von Kunst und Bau auf die Vermittlung und Bewahrung ebendieser. Gemeinsam mit der Baukultur NRW luden das Kunsthaus NRW und das LaB K Expert:innen aus den Bereichen der Künstler:innenvertretung, Museen, Verwaltung und Wissenschaft ein, auf die Dilemmata um den Erhalt der Kunst der Nachkriegsmoderne, den Bedingungen staatlicher und gesellschaftlicher Förderung zu neuer Kunst am Bau und Fragen der Vermittlung zu reagieren. Nach Begrüßungen durch Dr. Marcel Schumacher, Direktor des Kunsthauses NRW und Peter Köddermann, Leiter der Baukultur NRW, stellte Dr. Christine Kämmerer aktuelle Projekte der Baukultur NRW vor und offerierte eine visuelle Übersicht zur Kunst in Bauten NRWs, „wo Menschen arbeiten und studieren, wo sie Behördengänge erledigen oder operiert werden, heiraten oder Haftstrafen verbüßen.“ Lassen Sie sich von der Kunst- und Architekturhistorikerin mehr erzählen:

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Zwischendurch wurden bei einem Rundgang mit den Künstler:innen Frauke Dannert, Vera Lossau, Sebastian Freytag und Christian Odzuck ihre in den Ausstellungen und im Skulpturengarten teils neu installierten Arbeiten besprochen. Die Werke wurden u.a. aus ihrem ursprünglichen Kontext im öffentlichen Raum entfernt, kommentieren aber auch den Umgang mit Kunst der Moderne als Ruine. Architekturtheoretiker Kay von Keitz führte die Gespräche gemeinsam in Dialog mit den Künstler:innen und dem Publikum.

In dem zweiten Block kamen verschiedene Referent:innen mit Best-Practice-Beispielen der Dokumentation und Vermittlung von Kunst und/in/am Bau zu Wort. Vorab stimmte ein Statement von Friederike van Duiven, Vorsitzende des BBK NRW auf die Wiedereinführung der Regelung zu Beteiligung von Künstler:innen an Landesbauten ein. Peter Köddermann ordnete für das Publikum die Bedeutung der Novelle, wie eingangs erwähnt, ein. Das Statement und den Vortrag können Sie gern nachlesen und -sehen:

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Einen Einblick in das „Museum der 1000 Orte“, vorgestellt von Dr. Ute Chibidziura, Referentin für Kunst am Bau beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, erhalten Sie mit Ihrer Power-Point-Präsentation. Es handelt sich um ein Onlinemuseum des Bundes zur Kunst am Bau und ist im Rahmen der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ als eine wachsende Datenbank angelegt, in die nach und nach sämtliche im Auftrag des Bundes (auch der ehemaligen DDR) entstandenen Kunstwerke eingestellt werden. Das Projekt CampusKunstApp der Ruhr-Universität Bochum, das Studierende der Kunstgeschichte gemeinsam mit Jun.-Prof. Annette Urban entwickeln, gibt Einblicke in die Verbindung von digitaler Augmentierung und Vermittlung zur Kunst am Campus. Den ausführlichen Text finden Sie hier. Georg Elben, Direktor des Skulpturenmuseum Marl, stellte in der Funktion des Sprechers der „Public Art Ruhr“, einer Arbeitsgruppe der RuhrKunstMuseen, unter dem Titel PublicWallRuhr die Erforschung wandgebundener Kunst als eine Form von Kunst am Bau vor. In folgendem Video erfahren Sie mehr zu dem Projekt, das die Metropole Ruhr und ihre Kunst ins Bewusstsein rücken soll.

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Abschließend möchten wir Ihnen die beiden Podiumsdiskussionen empfehlen, die die verschiedenen Argumentationen, Perspektiven und Verdikte zur Kunst und/in/am Bau gegenüberstellen: Kulturjournalist Michael Köhler sprach mit Dr. Ute Chibidziura, Dr. Christiane Kämmerer und Kay von Keitz sowie mit Georg Elben, Christian Odzuck und Dr. Marcel Schumacher über die Bedeutung von Kunst am Bau, deren Erhaltung, Vermittlung und politische Rahmung.

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Credits

Beitragsbild: Selma Gültoprak. Die Arbeiten bei den Künstler:innen, VG Bild Kunst: Vera Lossau; Christian Odzuck/ Fotos: Dirk Rose. Arbeiten im Trailer von Martin Pfeifle (cutoutalbers, 2009) / Alex Grein (Tempel/VR/Natica, 2018) / Florian Kuhlmann (well the internet told me it was ok, 2018). Die Rechte bei den Künstler:innen. Martin Pfeifle © VG Bild-Kunst Bonn, 2023.

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